Wei(na)ch(t)en

Fünf Tage schon. Jeden Tag zur selben Zeit. Pünktlich. Das war nicht leicht, denn er kann nicht einfach Feierabend machen, wann es ihm passt. Zweimal hat seine Abteilung spontan späte Meetings angesetzt. Er hat sich entschuldigen lassen. Das macht einen schlechten Eindruck. Aber er musste einfach die Straßenbahn um 17:02 Uhr erreichen. Ankunft Charlottenplatz um 17.25 Uhr. Dort wird die Frau einsteigen. Heute wird sie es schaffen und er wird sie endlich wiedersehen. Richtig sehen. Es kann gar nicht anders sein. Weiterlesen

Am Ziel

Ein letztes Aufbäumen tief in seinem Inneren, ein letzter Funke von Widerwillen, dann ist alles gut. Jetzt wird Frieden sein. Eine gnädige Schläfrigkeit übermannt ihn, lässt ihn endgültig vergessen, dass er unter Drogen steht. Sie stellen seinen Körper ruhig, seit Tagen schon. Oder sind es Wochen? Er hat kein Empfinden mehr für Zeit oder für den Ort, an dem er ist, noch erinnert er sich daran, wie er hierher gekommen ist. Wenn er überhaupt noch einmal erwachte, würde er vielleicht nicht mehr wissen, wer er ist. Weiterlesen

Nostalgia

Darauf war ich nicht vorbereitet. Ich hatte mir dieses kleine Café im hintersten Winkel einer etwas entlegenen Gasse Barcelonas ausgesucht, um ungestört meine Eindrücke dieser großartigen Stadt und die Umstände meiner Flucht zu verarbeiten. Nicht im Traum hätte ich für möglich gehalten, ausgerechnet hier noch einmal meiner ersten Liebe zu begegnen. Dabei erschien sie mir gar nicht persönlich. Aber der Reihe nach. Weiterlesen

Ins Leben

In jenem Moment als ich zurück zur Erde fiel
Reichte das Schicksal mir ein neues Spiel
Ich wähnte mich erst in vertrauten Bahnen
Schon bald aber konnte ich Großes erahnen

Rüde hat der Sturz meine Seele verrückt
Und der Aufprall mein Herz beinahe zerdrückt
Haltlos zog ich wieder durch Partydickicht
Erfasste noch gerade dein schönes Gesicht

So folgte ich dir und verlor dich schon bald
Aber nicht lang es erwischte mich kalt
Nah warst du plötzlich das ließ mich erbeben
Fast hilflos stand ich vor dir ganz ungestalt
Tja – da lachtest du und zogst mich ins Leben

In memoriam, 1985 – 1990

©Martin Bensen

Hey du (an der Haltestelle)

>> Hey du, schau nicht weg! Lass dich anlächeln. Ja, du! <<

>> Meint sie mich? Sicher nicht… Oder doch? Doch, sie lächelt mich an! <<

>> Jetzt fährt die Bahn weiter. Ciao, du Augenblicksmensch! Das Lächeln war für dich… <<

>> Schade, sie meinte wirklich mich. Danke, hat gutgetan. Hätte es dir gern gesagt. Mit meinem Lächeln… <<

 

In my life

„All these places have their moments
With lovers and friends
I still can recall
Some are dead and some are living
In my life
I’ve loved them all“

(Lennon/McCartney, 1965)

An jenem Tisch dort saßen wir
Hielten für einen Glücksmoment
Den Zauber des Augenblicks
Fest

Als gerade dort an diesem Platz
Sich dein Blick in meinen senkte
Ich ohne Halt in deine Augen
Fiel

Auch wenn dieser Tisch noch steht
Lebt von unserem Augenblick
Kaum mehr als ein Lidschlag
Fort

©Martin Bensen

Voll das Herz

Es sind nicht direkt ungebetene Gäste dadrinnen. Aber manche haben sich doch regelrecht eingeschlichen. Man kann ihnen gar nicht böse sein, im Gegenteil, sie haben es weder an Liebenswürdigkeit noch an Entgegenkommen fehlen lassen. Dennoch: Der Portier macht einfach einen verdammt schlechten Job, er weiß schon lange, dass nichts mehr frei ist, selbst die Besenkammer ist doch schon belegt. Weiterlesen