Ein böser Duft

Erst hatte er sie gar nicht bemerkt. Sie kam schleichend. Und so kann er jetzt, am Ende seines Leidens nicht mehr sagen, wann alles begonnen hatte und vor allem wie. Die Ursache für seine Hypersensibilität würde er nicht mehr erfahren. Es hätte ihn interessiert, nicht weil er noch an eine Therapie oder gar Heilung geglaubt hätte, sondern einfach, um wenigstens wissend abzutreten. Zwar hätte ihm dieses Wissen keine Macht gegeben, aber es hätte jene Macht abgemildert, die die seltsame Krankheit über ihn hatte. Weiterlesen

Tannen-Hütte

Eine Art Idylle (II)

Meine Tannen-Hütte steht, wie kann es anders sein, an einer Lichtung, zu drei Seiten hin und am Ende der sanft abfallenden Lichtung umsäumt von hohen Tannen, die dahinter einen dichten, dunklen Wald bilden. Die Hütte ist aus eben diesen Nadelhölzern gebaut, nur der große Kamin mitten in dem einen Wohnraum besteht aus gemauerten Natursteinen. Im Winter, Weiterlesen

Oh, Tannenbaum

Da wo es vor dem großen Fest
Nach würzig-süßem Harzgehölz
Nach herzensfroher Kindheit roch
Da wo ich dich für mich erkor

Da liegst du nun als Rest vom Fest
Als ausgedienter Weihnachtsmüll
Als wärst du nicht schon lange tot
Duftest du auch jetzt noch weiter

©Martin Bensen

Wenn du gehst

Wie oft wird es mich an diesen Platz ziehen, genau dahin, wo wir gerade sind? Jetzt hältst du mich noch, streichst mit deinem Daumen zärtlich, fast unmerklich über meine Hand im Sand. Obwohl ich den Blick abgewendet habe, spüre ich deinen weiter auf mir ruhen. Das letzte Mal, als ich dich angesehen habe, war die Farbe deiner Augen genau die des Sees, an dem wir gerade sitzen – sie sind eins geworden. Jetzt schaue ich auf das Wasser, versuche mich einzuschwören auf die Zeit ohne dich, mir einzureden, dass die tanzenden Lichtreflexe auf der blau-grünen Oberfläche deine zauberhaften, mal träumenden, mal lustvollen Augen sein werden. Dass die Ufergrashalme, die meine entblößten Waden umschmeicheln, deine zärtlichen Finger seien, die mich heute ein letztes Mal und dann auf diese Weise immer streicheln werden. Dein Haar, das wie ein anmutig wogendes Kornfeld die milden Sonnenstrahlen auffängt, es wird auch dann noch nach Sommer riechen, wenn du fort bist, wenn nur noch das fruchtbare Hinterland seine feinen Düfte bis hierher schickt, die ich dann wohl unersättlich tief in mich einsaugen werde, so wie jetzt ein letztes Mal den unverwechselbaren, betörenden Geruch deiner Haut. Deine Lippen, die meine noch einmal berühren, ganz behutsam, nichts mehr fordern, sich langsam lösen, den Abschied besiegeln, es werden nur noch meine sein, die den Hauch des Windes spüren, seine sanfte Brise schmecken, als wäre es dein Atem, der sich immer noch mit meinem vereint. Jetzt spüre ich das Gras an meinen Beinen, den Sand auf meiner Hand, den Duft von Heu in meiner Nase, den warmen Sommerwind auf meiner Haut, auf meinen Lippen den letzten Kuss, sehe das Blau des Sees – in meinen Augen verschwimmen. Jetzt bist du weg.

©Martin Bensen