Du bist getrieben
Treibst dich selber
Immer vorwärts
Immer schneller
Du merkst zu spät
Dass es vorwärts
Nicht mehr schneller
Dass es gar nicht geht
So rast du vorwärts
Siehst zu spät
Dass all die anderen
Schon stehen
©Martin Bensen
Monat: Juni 2019
Weird
Ein weißer alter Mann
Fragt seinen Sohn
Warum er weird
Statt seltsam sagt
Du sprichst das falsch
Sagt er und fleht ihn an
Bitte mach mir meine
Wörter nicht kaputt
©Martin Bensen
Pöttmes
Pöttmes ist kein Essen
Und kein Ort
In Norddeutschland
Pöttmes ist kein Eintopf
Und kein Kiez
In Köln
Pöttmes ist ein Markt
Und kein ganz kleiner
In Bayerisch-Schwaben
©Martin Bensen
Der Geizer
Nur von Marulls Geschichten eine:
Fundstück: Marull / Sprüche. Spruchgedicht von Friedrich Haug (Johann Christian Friedrich Haug, Dichter aus Württemberg, 1761 – 1829) – https://gedichte.xbib.de/Haug_gedicht_Marull.htm
Der Geizer blickte wann er aß
Erfindrisch durch ein Augenglas,
Damit sein Bißchen groeßer scheine.
Spitzel im Ruhestand
Sie können nicht anders
Sie sitzen da und hören zu
Sie lauschen den Gesprächen
Sie sehen hin nur scheinbar weg
Sie verarbeiten ständig Informationen
Sie geben sich arglos harmlos
Sie lächeln dünn und unnahbar
Sie wirken grau fast unsichtbar
Sie haben es nicht anders gelernt
©Martin Bensen
Im Abgang leicht bitter
— Wünschen Sie die Speisekarte?
Er: Bitte.
Sie: Eine bemerkenswerte Ausstellung.
Er: Ja, seine Werke sind sattsam bekannt. Und doch hat diese Kompilation ihren ganz besonderen Reiz.
Sie: Das Konzept ist ganz ausgezeichnet. Hab ich Roland auch gesagt.
— Bittesehr, die Herrschaften, was darf es denn zum Trinken sein?
Er: Für meine Gattin einen Prosecco, für mich einen leichten Sommerwein. Was haben Sie denn da? Ah, der offene Pinot Grigio ist sicher eine gute Wahl. Ach, und ein stilles Wasser bitte.
Sie: Neulich in Mailand war ich enttäuscht. Die Stadt scheint ihre besten Zeiten auch hinter sich zu haben.
Er: Ja, an vielen Ecken Verfall und Schmutz. Direkt an den Kulturstätten. Das war vor einem Jahr noch anders.
Sie: Du sagst es! Das ist geschmacklos. Ich habe kein gutes Gefühl, was die Zukunft Italiens angeht…
— Bitteschön!
Sie: Danke. Auf das schöne Leben!
Er: Cin cin, meine Liebe! … Hm, im Abgang leicht bitter. Da hätte ich ja gleich ein Tonic Water nehmen können.
Sie: Mein Prosecco ist fein.
Er: Das ist natürlich auch ein Sargnagel für ein Restaurant, wenn die Karte nie wechselt.
Sie: Wirkt leider sehr vertraut.
Er: Für Leute wie Wolfram ist so etwas skandalös.
Sie: Ach ja, Wolfram…
Er: Andererseits ist das hier ein Hotel, da kommen die Gäste selten ein zweites Mal.
Sie: Wolfram ging zwei Jahre lang immer in dasselbe Restaurant, aß immer dasselbe beschissene Fleisch. Es war meist furchtbar zäh!
Er: Wolfram ist aber auch ein Arschloch.
— Was darf es denn zu Essen sein?
Er: Danke, wir essen nichts.
Sie: Die Rechnung bitte!
©Martin Bensen
Kompiliert (und fiktiv ergänzt) aus einem nicht zu überhörenden Gespräch am Nebentisch – im Restaurant eines ganz hervorragenden Hotels. Der deftige Teil des Dialogs ist der authentische…
Beziehungsspion
Lange starrt er nur
Auf sein Handy
Oder in die Luft
Auf jeden Fall an ihr vorbei
Auch sie starrt nur
An ihm vorbei
Irgendwo hin
Auf keinen Fall jedoch ihn an
Dann stehen sie auf
Und gehen stumm
Hand in Hand
Lassen den Beziehungsspion ratlos zurück
©Martin Bensen
Grenzübertritt
„Meinst du, wir finden heute noch ein Hotel?“ Seine Frau war nicht begeistert gewesen, als er von der Autobahn abfuhr, um ganz in den waldreichen und hügeligen Harz einzutauchen. Dabei hatte es bereits zu dämmern begonnen. Weiterlesen