wenns gut läuft

von den ziegeln rinnt der regen
sammeln tausende tropfen
sich zu einem strom, der
gurgelnd in die Röhre
schießt, im sturzbach
sich ergießt in die erde
in tiefen grund bis zum
gestein bis irgendwo in
einen fluss, ins weite meer
dort verdampft zu neuem regen

©Martin Bensen

Wei(na)ch(t)en

Fünf Tage schon. Jeden Tag zur selben Zeit. Pünktlich. Das war nicht leicht, denn er kann nicht einfach Feierabend machen, wann es ihm passt. Zweimal hat seine Abteilung spontan späte Meetings angesetzt. Er hat sich entschuldigen lassen. Das macht einen schlechten Eindruck. Aber er musste einfach die Straßenbahn um 17:02 Uhr erreichen. Ankunft Charlottenplatz um 17.25 Uhr. Dort wird die Frau einsteigen. Heute wird sie es schaffen und er wird sie endlich wiedersehen. Richtig sehen. Es kann gar nicht anders sein. Weiterlesen

Liebestöter

Ich stoße mein Messer
In dein Herz
Schäle Schicht für Schicht
Eitelkeit und Stolz hinweg
Verletzung und Enttäuschung
Stoße unter Tränen vor ins
– Nichts

Was hast du dir und mir getan
Fragst du
Verletzt, enttäuscht bist du
Durch mein eitles grobes Tun
Nackt und schutzlos welkt nun
Was warm umhüllt nur keimt
– Liebe

©Martin Bensen

Dein Schwan

Zwei Ehepaare im fortgeschrittenen Rentenalter sitzen beim Hotelfrühstück am See. Gedämpfte Gespräche, Hüsteln hier und da, ein tiefes Räuspern des einen Herrn.

Der andere Herr stößt seine Dame an, deutet auf den See.
Sagt der eine vernehmlich: »Dein Schwan sitzt neben dir.«

©Martin Bensen

Frühling in …

… Stutthof – so harmlos klingt Vernichtung. Menschen, gehalten nicht wie Pferde, nicht einmal wie Vieh. Abgeschlachtet. Der Himmel hilft nicht. Unerreichbar weit, blau mit weißen Wattewölkchen, friedlich, harmlos. Der Wind in den Wipfeln, ungebunden und verspielt. Er heult um die Barracken, rauscht und raschelt in den Birken dort draußen. Die Wipfel biegen, die Blätter kräuseln sich, zittern an bleichen Knochenästen.

… Mauerwald – so passend ist der Name. Stahlbeton, gleich meterdick. Von Moos getarnte Bunker. Täter und ihr düsteres Werk. Geschützt nicht um zu schützen, doch zu morden. Millionenfach, vom Reißbrett aus. Morgenlicht strömt rot durch Ahornbäume, in deren Kronen Amseln rufen. Gewärmt, beduftet, umschwärmt. Vor allem frei. Anders die in Uniformen, blass und müde steigen sie hinab in ihre feuchte, kalte Gruft.

©Martin Bensen

Alle Farben in Masuren

Als Kind war Polen für mich grau
Schwarz wie Kohle, Pech und Ruß
Pommerland war abgebrannt
Im Lied klang es wie Bombenland

Schwarz sind nur Gewitterwolken
Von Russland auf Masuren zu
Bunt sind schon die Plattenbauten
Viel bunter noch ist die Natur

Bernsteinbraune, -gelbe Felder
Saftiggrüne Wälder, Wiesen
Weiß und rot betupft, blaue Seen
Himmel! Alle Farben auf dem Grab

©Martin Bensen

Schützenfest

Durch den friedvollen frühen Morgen
Zieht ein Trupp aus der Vergangenheit
Defiliert mit Pauken und Trompeten
Vor müden katergrauen Untertanen

Ein neuer Schützenkönig muss erstehn
Doch ehe Kugeln aus der Flinte hoch
Fliegen Feuerzungen vom Firmament
Dass beseelter geht das Vogelschießen

Horrido Gut Schuss Alle ins Kill
Zigarren-, Bier- und Grasgeruch
Jubel auf des letzten Fetzen Fall
Wir haben einen neuen …

©Martin Bensen