La Bionda

Mein letzter Trost ist weg. Erst dachte ich, er sei nur verreist. Das hat er manchmal getan in den letzten beiden Jahren, die uns so verstört und gefangen gehalten haben, besonders mich, der ich keinen Garten und keinen Balkon, nicht einmal ein richtiges Fenster habe und auf 43 Quadratmetern hause, im siebten Stock unter einem schlecht gedämmten Dach, winterkalt und sommerheiß. Nur wenige erträgliche Wochen, Phasen von Freiheit, in denen ich raus konnte, doch viel zu selten tatsächlich ging, weil das Risiko dort lauerte, die Angst in mir, und ich nur noch nach einem Trost lechzte: la Bionda. Weiterlesen

Erwachen

Der Gedanke vor dem kurzen Schlaf
In was für einer Welt erwachen wir?
In was für einen Tag fällt die Nacht?
Kommt noch ein Tag – welche Welt?

Der Gedanke nach dem wirren Traum
Nichts ist von selbst was so gewohnt
Frühling erwacht inmitten von Tod
Die frühen Vögel künden – von was?

©Martin Bensen

Traumgesichte (VIII): Der Mond verschwindet

„Wenn ich es dir doch sage!“ Was sollte ich noch tun, um sie zu überzeugen? Warum muss ich das überhaupt noch nach dreißig Jahren?
„Es tut mir leid, aber ich kann nicht mehr.“ Sie wirkt erschöpft. Ihr Blick ist müde. Sie sieht an mir vorbei nach draußen. Wir sitzen im Esszimmer, unser Tisch steht direkt vor dem großen Panoramafenster. Da draußen steht er: ein gelber Mond an einem tiefblauen Himmel zwischen Tag und Nacht. Die blaue Stunde – unsere blaue Stunde. Wie oft haben wir uns in sie gehüllt, wie in eine flauschige Decke. Hüllenlos. Uns geliebt. Uns zum ersten Mal geküsst. Die blaue Stunde war der Anfang. Ein Zauber. Und unser Glücksbringer. Aber das Glück hat uns verlassen. Der Mond wird das auch tun. Warum glaubt sie mir nicht?

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Krone

Krone der Schöpfung hast du Angst
Weiß du denn wovor du bangst
Ein Husten raubt dir die Vernunft
Der Irrsinn feiert Wiederkunft

Vor Corona bist du auf der Hut
Mit ner Grippe bist du allen gut
So ist der Dummheit Weltenlauf
Du verreckst – ich atme auf

©Martin Bensen

Traumgesichte: Hunde

Ich stehe auf einer Wiese, die Sonne scheint, alles wirkt friedlich. Kein Mensch ist hier unterwegs. Dann eine Bewegung am Horizont. Etwas nähert sich in der flirrenden Hitze. Ich stelle meine Augen scharf und sehe sie: Hunde. Große Hunde mit bedrohlichen Gesichtern. Sie sehen nicht aus wie Wölfe, aber sie wirken wie gefährliche Raubtiere. Weiterlesen

Sagst du mir dann

Wenn ich traurig bin und meine Tränen nicht versiegen
Sagst du mir dann, es wird alles wieder gut?
Wenn mein Herz rast und Angst die Kehle zuschnürt
Sagst du mir dann, du bist sicher bei mir?
Wenn ich verzagt bin und meine Knie weich werden
Sagst du mir dann, wir werden das schaffen?
Wenn ich zornig bin und meine Hände zittern
Sagst du mir dann, es ist anders als du denkst?
Wenn ich vor Sehnsucht vergehe und deine Liebe vermisse
Sagst du mir dann, warum es aus ist?

©Martin Bensen, August 2017 – Es ist ein seltsames Gefühl, wenn dir jemand sagt, er liebe dich nicht mehr. Es ist, als falle man aus der Welt. (1983)