Wind, meine Liebe

Nichts erfrischt, nichts tröstet und beglückt mich so unmittelbar wie der auffrischende Wind, besonders im Sommer, wenn er in belaubte Bäume fährt, ihre Kronen bewegt, sie belebt und in ihren Blättern ein vielstimmiges Rascheln und Rauschen erzeugt, mal säuselnd, mal heulend, mal zart, mal hart und mal schmeichelnd, mal reißend.
Der Wind macht eine eigene Musik – eine, die unmittelbar meine Seele anstimmt, sie schwingen lässt wie die Baumkronen in der Natur. Vielleicht hat meine Seele auch Blätter, die mit sich spielen lassen, solange es der Wind gut meint, andernfalls zittern sie wie Espenlaub und mein Körper gleich mit.
Tausende Härchen heben sich im Wind, kräuseln meine Haut, wenn er darüber fährt, mich streichelt, auch mein Kopfhaar, wie ein sinnlicher, oft wilder Liebhaber. Wind ist maskulin, auch in wohlklingenden Sprachen: le vent, il vento, el viento… Doch weil ich so bin, wie ich bin, stelle ich ihn mir lieber als Frau vor: die Wind, die wilde, die zärtliche – erotische.
Dann schließe ich die Augen und lasse alles geschehen, selbst die Möglichkeit zu sterben. An meinem letzten Tag soll Wind sein, in meinen Haaren, auf meiner Haut, in meiner Seele, die sie dann forttrüge, und in dem Baum zu meinem Gedenken, in dem sie weiter spielt und singt. Wind, meine Liebe.

©Martin Bensen

Leuchtturm

Eine Art Idylle (III)

Mein Leuchtturm ist nicht hoch. Er steht auf einer Klippe über dem Strand, dem einzigen auf meiner einsamen Insel ganz im Norden. Danach ist nur noch Meer. An den meisten Tagen ist nicht auszumachen, wo das Wasser endet und die Luft beginnt, dort am Horizont, der unendlich scheint und doch irgendwo in der Ferne zu Eis erstarrt. Weiterlesen

Pinien-Villa

Eine Art Idylle (I)

Meine alte Villa befindet sich auf einem zum Meer hin erst sanft, dann steil abfallenden Hügel. Sie steht zwischen drei alten Pinien, einer auf der Hinterseite, einer besonders prachtvollen an der rechten und einer windgebeugten auf der linken Seite vorne, nahe der Balkonterrasse zu meinem Schlafzimmer. Die Flügeltür steht weit offen, ich lasse sie im Sommer immer geöffnet, ich liebe das leise Fauchen des auflandigen Windes im nadeligen Geäst. Weiterlesen