Ein verdächtiges Gesicht

„‚Sollte sich ein Zusammenhang irgendeines von euch –‘ Er faßte den schwarzbärtigen Maschinenmeister ins Auge, der ein verdächtiges Gesicht machte, ‚– mit sozialdemokratischen Kreisen herausstellen, so zerschneide ich zwischen ihm und mir das Tischtuch. Denn für mich ist jeder Sozialdemokrat gleichbedeutend mit Feind meines Betriebes und Vaterlandsfeind …'“

Heinrich Mann: Der Untertan, 1918

Die zwei Schwarzbärtigen gefallen ihm nicht. Geht es nur ihm so oder ist es in der Straßenbahn plötzlich kälter geworden? Nein, nicht wegen der offenen Tür, sondern seitdem die zwei Männer mit den Kapuzenpullis dort stehen. Sie sind zusammen eingestiegen, haben ihre Rollkoffer neben sich gestellt, sind gleich am Entwerter stehengeblieben. Auf dem Einzelplatz für Reisende und Behinderte sitzt eine alte Dame, ihm gegenüber. Gut, dass sie die Männer nicht sehen muss, denkt er. Ihre langen, schwarzen Bärte in den hageren Gesichtern, die düsteren Augenhöhlen, die bis über die Stirn gezogenen Kapuzen – solche Leute können einem wirklich Angst einjagen. Beide Männer blicken auf ihre Handys. Doch ihm können sie nichts vormachen. Er durchschaut sie. Weiterlesen

Westfalen

Wie seltsam friedlich der Horizont
Nicht weit, nirgendwo ein Silberstreif
Bloß ein dünner Streifen hoher Bäume
Schützt ausgedehntes Land vor Ferne

Kronen übersät von schwarzen Flecken
Krähen keckern ihr karges Winterlied
In den Nebel, die frühe Dämmerung
Ja, auch dieser öde Sonntag endet bald

Wie seltsam friedlich mein Westfalen
Nichts und niemand stirbt hier laut
Unter jedem Grün ist schwarze Erde
Blatternfleckig selbst der Horizont

©Martin Bensen