Westfalen

Wie seltsam friedlich der Horizont
Nicht weit, nirgendwo ein Silberstreif
Bloß ein dünner Streifen hoher Bäume
Schützt ausgedehntes Land vor Ferne

Kronen übersät von schwarzen Flecken
Krähen keckern ihr karges Winterlied
In den Nebel, die frühe Dämmerung
Ja, auch dieser öde Sonntag endet bald

Wie seltsam friedlich mein Westfalen
Nichts und niemand stirbt hier laut
Unter jedem Grün ist schwarze Erde
Blatternfleckig selbst der Horizont

©Martin Bensen

Dein Liebesbrief

Dein Brief, dein Liebesbrief
Worte einer anderen Zeit
Verblasst ist diese Tinte
Angegraut wie das Papier

Ob ich den Brief kopiere?
Ihn scanne, digitalisiere?
Dann wäre er nicht mehr
Dein Brief, dein Liebesbrief

Ob ich mir die Worte merke?
Sie in mein Herz einschließe?
Wie damals, nicht so gierig
Als es von dieser Liebe brannte

Nur Narben sind geblieben
Wehmut nur wie kalter Rauch
Ein bloßes Echo unserer Liebe
Ein Ende, das den Anfang frisst

Deine Worte, deine lieben Worte
Verblassen doch wie Zaubertinte
Dein Brief, dein Liebesbrief
Vergeht. Wie das Leben. Die Liebe.

©Martin Bensen

wenns gut läuft

von den ziegeln rinnt der regen
sammeln tausende tropfen
sich zu einem strom, der
gurgelnd in die Röhre
schießt, im sturzbach
sich ergießt in die erde
in tiefen grund bis zum
gestein bis irgendwo in
einen fluss, ins weite meer
dort verdampft zu neuem regen

©Martin Bensen

Liebestöter

Ich stoße mein Messer
In dein Herz
Schäle Schicht für Schicht
Eitelkeit und Stolz hinweg
Verletzung und Enttäuschung
Stoße unter Tränen vor ins
– Nichts

Was hast du dir und mir getan
Fragst du
Verletzt, enttäuscht bist du
Durch mein eitles grobes Tun
Nackt und schutzlos welkt nun
Was warm umhüllt nur keimt
– Liebe

©Martin Bensen

Alle Farben in Masuren

Als Kind war Polen für mich grau
Schwarz wie Kohle, Pech und Ruß
Pommerland war abgebrannt
Im Lied klang es wie Bombenland

Schwarz sind nur Gewitterwolken
Von Russland auf Masuren zu
Bunt sind schon die Plattenbauten
Viel bunter noch ist die Natur

Bernsteinbraune, -gelbe Felder
Saftiggrüne Wälder, Wiesen
Weiß und rot betupft, blaue Seen
Himmel! Alle Farben auf dem Grab

©Martin Bensen

Schützenfest

Durch den friedvollen frühen Morgen
Zieht ein Trupp aus der Vergangenheit
Defiliert mit Pauken und Trompeten
Vor müden katergrauen Untertanen

Ein neuer Schützenkönig muss erstehn
Doch ehe Kugeln aus der Flinte hoch
Fliegen Feuerzungen vom Firmament
Dass beseelter geht das Vogelschießen

Horrido Gut Schuss Alle ins Kill
Zigarren-, Bier- und Grasgeruch
Jubel auf des letzten Fetzen Fall
Wir haben einen neuen …

©Martin Bensen

Sonntagsluft

Erinnerst du dich an diese Luft
Die nur sonntags am Morgen
So frisch ins Zimmer zog
Durch jede Ritze der Jalousien

Anders als an andern Tagen
Wenn sie mit Rauch aus Koks
Aus Schwefel, Öl und Sprit
Selbst ein schwerer Vorhang war

Auch am Sonntag mischte sich bald
Dunst von Weihrauch derb hinein
Von Pomade, Bier und Zigaretten
Dann der Duft von Sonntagsbraten

©Martin Bensen