Alle Farben in Masuren

Als Kind war Polen für mich grau
Schwarz wie Kohle, Pech und Ruß
Pommerland war abgebrannt
Im Lied klang es wie Bombenland

Schwarz sind nur Gewitterwolken
Von Russland auf Masuren zu
Bunt sind schon die Plattenbauten
Viel bunter noch ist die Natur

Bernsteinbraune, -gelbe Felder
Saftiggrüne Wälder, Wiesen
Weiß und rot betupft, blaue Seen
Himmel! Alle Farben auf dem Grab

©Martin Bensen

Leichter

Auf dem Boden eine Flocke
Etwas vom Müsli denke ich
Als ich mich nach ihr bücke
Weicht sie aus – fliegt davon

Ein winziger Falter flirrt
Mit feinen Flügeln filigran
Hinaus aus meiner Welt
Ob er leichter lebt als ich?

©Martin Bensen

Kuckuck

Reisesplitter II

An diesem Morgen steht der Wind anders. Die Ostsee ist heute nicht zu hören. Anders als in den vergangenen Tagen, als Unwetter weiter draußen ungewöhnlich hohe Wellen an den Strand rollen ließen und auflandiger Wind das Meeresrauschen über den weitläufigen Rübenacker bis zu uns in den Park trug. Wir wohnen in einem Gutshaus. Es ist ein schöner Platz, weit weg vom touristischen Treiben in Kühlungsborn. Leider ist es zu frisch für ein Frühstück auf der Terrasse mit dem Blick eben über den grünen Acker zu einem kleinen See und der blauen Ostsee dahinter. Weiterlesen

Naiv

Da ist er wieder: der Neid, der sich seit der Schule durch mein Leben zieht, nur selten unterbrochen durch Phasen von Erfolg und Euphorie. Ganz bei sich sein, selbstzufrieden, glücklich vom prickelnden Kopf bis in die heißen Zehenspitzen. In solchen Momenten fühle ich mich überlegen, satt und sicher. Doch schon bald kippt das Hochgefühl, beginnt das Nagen. Erste Abnutzungserscheinungen, sich ausdehnendes Hinterfragen, eine zitternde Nervosität und schließlich die Flucht in Alltagsroutinen. Dort aber lauert Gefahr: glückliche Menschen. Und mein Neid auf sie. Weiterlesen

Kreta

Ode von 1987

Im Sonnen-Glanze liebst du das Meer um dich
Ruhst still im Spiel der Wellen mit Kiesperlen
In Felsenbuchten zwischen Spalten
Sammeln sich Schaumrosen an den Steinen

Wenn dann der Nordwind dir du Verbrennende
Durch Schluchten treibend tief in die Täler dringt
Berührt er Blüten doch an Dornen
Reißend verschlingen ihn lautlos Höhlen

©Martin Bensen

Leuchtturm

Eine Art Idylle (III)

Mein Leuchtturm ist nicht hoch. Er steht auf einer Klippe über dem Strand, dem einzigen auf meiner einsamen Insel ganz im Norden. Danach ist nur noch Meer. An den meisten Tagen ist nicht auszumachen, wo das Wasser endet und die Luft beginnt, dort am Horizont, der unendlich scheint und doch irgendwo in der Ferne zu Eis erstarrt. Weiterlesen

Wunderwasser

Ein Märchen

Einmal in der Woche, immer sonnabends zogen die älteren Männer des Dorfes in aller Frühe hinauf auf ihren Hausberg. Sie taten dies bei jedem Wetter und selbst im tiefsten Winter. Dann war der Weg so beschwerlich, dass sie der Aufstieg gut und gerne einen halben Tag kostete. Nur einmal in der Geschichte des Dorfes blieb den Männern der Aufstieg drei Wochen lang verwehrt, zu widrig waren die Umstände, zu groß die Lawinengefahr, sodass sie um Leib und Leben fürchten mussten. In jenen Tagen strickten die Frauen ihnen Mützen aus Schafwolle, die zwar wärmten, aber doch auch gehörig kratzten, sodass die Männer den Abend herbeisehnten, an dem sie die wollenen gegen ihre leichten Nachtmützen aus lindernden Leinen tauschen konnten. In jenen drei Wochen trugen alle älteren Männer jenes Dorfes Tag und Nacht Mützen. Aber nicht wegen der Kälte allein taten sie das, denn ihre Häuser waren warm und draußen war zu dieser Jahreszeit ohnehin nichts zu tun. An Holz zum Heizen herrschte auch kein Mangel. Es gab einen anderen Grund für das Behüten ihrer Köpfe. Weiterlesen

Tannen-Hütte

Eine Art Idylle (II)

Meine Tannen-Hütte steht, wie kann es anders sein, an einer Lichtung, zu drei Seiten hin und am Ende der sanft abfallenden Lichtung umsäumt von hohen Tannen, die dahinter einen dichten, dunklen Wald bilden. Die Hütte ist aus eben diesen Nadelhölzern gebaut, nur der große Kamin mitten in dem einen Wohnraum besteht aus gemauerten Natursteinen. Im Winter, Weiterlesen

Frühling

Merkst du wie dein Herz sich öffnet wenn
Deine Füße durch saftige Wiesen schmatzen
Deine Augen gierig alle Farben verschlingen
Deine Nase bebend Frühling saugt

Spürst du was in dir passiert wenn
Pflanzen lustvoll ihre Knospen öffnen
In alle Wesen kraftvoll Saft einschießt
Die Welt wie von Sinnen sinnlich wird

©Martin Bensen