Alleinbeteiligt

In einer Polizeimeldung lese ich wieder diesen merkwürdigen Begriff:

„Autofahrer kommt alleinbeteiligt von der Fahrbahn ab und überschlägt sich“.

Alleinbeteiligt. Ich verstehe natürlich, was gemeint ist, ahne, dass es bei dem seltsamen Adverb um eine juristische Kategorie geht: kein Fremdverschulden, keine weitere Person ist beteiligt. Aber wieso spricht man bei einem allein verursachten oder dem Einzelnen widerfahrenen Unfall überhaupt von beteiligt? Weiterlesen

Ein Flügelschlag

Da sitzen sie, stecken ihre Köpfe zusammen. Die Espressotassen auf dem Tisch sind längst ausgetrunken. Während der Kaffeesatz eintrocknet, sprudeln Worte aus den Männern. Eigentlich redet nur einer, ein junger, leicht untersetzter Typ, hemdsärmlig, gestikulierend. Er spricht italienisch. So schnell, dass ich nur Bruchstücke verstehe und fast nichts von jener schwärmerischen Melodik dieser schönen Sprache wiedererkenne, für die ich die mediterranen Europäer so beneide – neben vielem anderem. Ist es das ruppige Wetter in Deutschland, die immer noch steife Draußenkultur, überhaupt das ganze stocksteife Deutschtum? Oder warum ist er so in Aufregung, sind die Gesichter seiner beiden Zuhörer so ernst? Was um alles in der Welt ist denn so wichtig, so schlecht, dass alle drei Männer beinahe verschwörerisch dasitzen, vornübergebeugt, einander zugetan? Immerhin das. Weiterlesen

Manchmal und immer

Manchmal bist du
Meine Biene
So emsig
Honigsüß

Manchmal bist du
Meine Maus
So putzig
Niedlich

Manchmal bist du
Meine Katze
So geschmeidig
Gefährlich

Manchmal bist du
Meine Venus
So anziehend
Abgrundtief

Immer bist du
Meine Liebste
So bezaubernd
Vertraut

©Martin Bensen

Leichter

Auf dem Boden eine Flocke
Etwas vom Müsli denke ich
Als ich mich nach ihr bücke
Weicht sie aus – fliegt davon

Ein winziger Falter flirrt
Mit feinen Flügeln filigran
Hinaus aus meiner Welt
Ob er leichter lebt als ich?

©Martin Bensen

Im Abfluss

Dieses Buch riecht muffig
Seine Seiten sind vergilbt
Sein Autor längst verblichen
Sein Inhalt ohne Nutzen

Wie Haargeflecht im Abfluss
Ein krauses in der Lakenfalte
Spült die Nachwelt Überreste
Und jegliches Erinnern fort

©Martin Bensen

Bella Wismar

Reisesplitter IV (Nachtrag)

In Wismar flanieren wir durch eine ruhige, an diesem Vormittag seltsam reservierte Innenstadt. 1991 waren wir zum ersten und bisher einzigen Mal hier, heute nur auf der Durchreise. Wir wollen sehen, ob wir die Stadt, die wir damals so kurz nach der Wende besuchten, heute noch wiedererkennen. Wie viele andere Städte der ehemaligen DDR hat sich auch Wismar sehr gemausert. Wie andere Hansestädte bekam Wismar aber wohl auch weniger von der sozialistischen Gleichgültigkeit gegenüber schmucker, historischer Bausubstanz zu spüren als solche weiter südlich, besonders in der grauen bis verpesteten Einheitsödnis des Arbeiter- und Bauernstaates. Weiterlesen