Ah geh (Herbst)

Am grauen Himmel rasen
Düstere Wolkenfetzen
Wie Rauch von einem Brand
Wie Pulverdampf im Krieg

Noch leuchtet Herbstlaub
Gelb, rot – wie frisches Blut
Bald stehen kahle Birken
Gerippen gleich – bleich, tot

Letzte Blüten wie Tränen
Rinnen erschöpft zu Boden
Werden Erde, Humus, Dreck
Was mal war, ist ewig weg

Deine Währung, mein Freund,
Sind Sommer, warmes Mittendrin
Herbste nicht, Winter, Frühlinge
Nur eine steht für Tod? Ah geh …

©Martin Bensen

Fenster

Vor meinem Fenster steht ein Baum
Gelbe Blätter zittern im Wind
Noch nicht bereit loszulassen
Mich in Ruhe zu lassen

Hinter meinem Fenster sitze ich
Kann den Blick nicht lösen
Von diesem Blattgewimmel
Das Blatt Papier ist leer

Gegen mein Fenster weht Schnee
Klebt daran und macht es blind
Meine Gedanken wimmeln
Aber finden nicht hinaus

©Martin Bensen

Kein Herbst

Lässt du mich also schon
An Fäulnis schnuppern
Den Duft des Abgesangs

In Haufen welken Laubs

Doch deine Kälte fehlt
Der Nebel auf dem Feld
Das fahle Sonnenlicht

Sein Spiel ins Abendrot

Noch weht der Südwind her
Der selbst in langen Schatten
Das letzte Grün dem nimmt

Der erst noch kommen soll

©Martin Bensen

Vor dem Winter

Vor dem Winter ragen kahle Äste
In den grauen Himmel
Der Wind reißt letzte Blätter mit
Auf den nassen Boden

Das heiße Blut der Leidenschaft
Ist endlich abgekühlt
Die Kraft des Lebens weicht zurück
Es fällt in tiefen Schlaf

Was haderst du mit diesem Lauf
Treibst weiter Blüten aus
Zur Unzeit kommt dein Widerstand
Im Eis wird er erstarren

©Martin Bensen

(Kein) Herbstlied

Herbst du Zeit der Neige
Du fades Zwischenspiel
Lass nur alles fallen was
Uns lieb und teuer war

Herbst du Zeit der Fäulnis
Du schaler Rest vom Fest
Lass nur das verwesen was
Uns Genuss und Leben war

Herbst du Zeit des Abschieds
Du blasser Abgesang
Lass nur das verklingen was
Dir nie ein Lied sein wird

©Martin Bensen

Winterfest

Als der Sommer sich zum Herbst verfärbte
Der mit bunten Düften für sich warb
Mich trügerisch in goldener Wärme wiegte
Um mich doch dem Winter auszuliefern

Packte ich meine verrückte unmögliche Liebe
In eine luftdichte Hülle aus Klarsichtfolie
Aus der ich doch nur weiter sehnend sah
Wie aus meinen Tränen Eisblumen wuchsen

©Martin Bensen

Herbst ist laut (Luxusvariante)

Durch Laub fährt raschelnd mein Rad
An Villen und Gärten vorbei
Wo Aufsitzmäher, Sägen und Gebläse
Unter herrschaftlicher Aufsicht
Hinter schalldichten Fenstern
Lautstark den Herbst abwehren

Leiser surren die Reifen jetzt
Dem Kampfeslärm davon
Auf einen Herrn im Smoking zu
Der charmant im Wiegeschritt
Champus und Rosen im Arm
Singend den Herbst begrüßt

©Martin Bensen

Herbst ist laut

Während bunte Blätter leise zu Boden schweben
Röhren Motorsägen lustvoll in saftigen Stämmen
Dröhnen Laubbläser tumb gegen moosige Zäune
Wühlen Traktoren träge auf staubigen Feldern
Scheppern Anhänger tanzend auf löchrigen Straßen

Während müde Bauern träge das Heu einholen
Hängen Häupter lustlos über den Lenkern
Stehen Pferde still im Stall
Schnauft ein Hund leise im Hof
Fällt das letzte Laub rasch zu Boden

©Martin Bensen