Kuckuck

Reisesplitter II

An diesem Morgen steht der Wind anders. Die Ostsee ist heute nicht zu hören. Anders als in den vergangenen Tagen, als Unwetter weiter draußen ungewöhnlich hohe Wellen an den Strand rollen ließen und auflandiger Wind das Meeresrauschen über den weitläufigen Rübenacker bis zu uns in den Park trug. Wir wohnen in einem Gutshaus. Es ist ein schöner Platz, weit weg vom touristischen Treiben in Kühlungsborn. Leider ist es zu frisch für ein Frühstück auf der Terrasse mit dem Blick eben über den grünen Acker zu einem kleinen See und der blauen Ostsee dahinter. Weiterlesen

Ono-Macht

Ein Kapitel aus meinem neuen Buchprojekt über Jugendjahre in einer westfälischen Kleinstadt – über Freundschaft, erste Liebe, Leidenschaft für Gitarren und Beatles und über das Erwachsenwerden (oder Jungbleiben).

So macht es keinen Spaß. Botte ist nicht bei der Sache, spielt mal ein Stück mit mir und knutscht dann wieder mit Anne rum. Ich hasse diese Nachmittage im Schlossgarten. Wir kriegen das nicht unter einen Hut, auch wenn wir uns beide bemühen. Anne stört. Sie steht zwischen uns und unserer Leidenschaft: die Musik. Aber ohne Anne ist Botte gerade nur ein halber Mensch, das weiß ich, auch wenn er es nicht ausspricht. Weiterlesen

Kein Herbst

Lässt du mich also schon
An Fäulnis schnuppern
Den Duft des Abgesangs

In Haufen welken Laubs

Doch deine Kälte fehlt
Der Nebel auf dem Feld
Das fahle Sonnenlicht

Sein Spiel ins Abendrot

Noch weht der Südwind her
Der selbst in langen Schatten
Das letzte Grün dem nimmt

Der erst noch kommen soll

©Martin Bensen

Sommergewitter

So viel neu. So viele erste Erfahrungen. 1980, endlich erwachsen. Dem rechtlichen Status des Minderjährigen entwachsen. Führerschein, erster Unfall, nichts Schlimmes, aber ein Dämpfer für die neue Freiheit. Unsere Band ist zur Hälfte volljährig und tritt jetzt selbstbewusster auf. Meine Haare sind so lang wie sie nie waren und nie wieder sein werden. Ich fühle mich wie frisch gehäutet, im übertragenen Sinn, denn ich habe immer noch Pubertätspickel. Ich fühle mich stark, voller Energie, dabei bin ich dünn, fast dürr, einer Schlägerei nicht gewachsen, die jeden Tag hinter den Hecken meiner Provinz lauert. Zum Glück trage ich keine Brille, bin auch kein Musterschüler, denn auf die haben es die prekären Burschen besonders abgesehen, die eher früher als später im Knast landen. Einer von ihnen tanzt mit seiner Perle zu unserer Musik. Wir spielen, sie tanzen! Wochen später lädt der spätere Zuhälter mich zum Bier ein, ich scheine ihn beeindruckt zu haben, sieh mal an. Ich bin 18, aber alles andere als selbstbewusst. Deshalb kann ich es zunächst kaum glauben, dass ein Mädchen auf mich stehen soll. Weiterlesen

Mai-Frau im Juni

Als wir endlich zueinander fanden
Zuckten Blitze grell vom Himmel
Setzten dein rotes Haar in Flammen
Entzündeten unsere Lippen im Kuss

Als wir uns gänzlich einander hingaben
Unsere Körper ineinander verschlungen
Rollten Donnerschläge um uns herum
Prasselte Regen schwer auf unser Dach

Als ich dich später immer noch spürte
Süßer Sommerhauch auf heißer Haut
Fuhr ich allein über dampfende Straßen
Liebestrunken in einen blauen Morgen

Ein neues Leben

17. Juni 1980

©Martin Bensen