Er fehlt

Ausgerechnet im Supermarkt. Zwischen Frischeregal und Gewürzen. Im banalsten Moment trifft mich Trauer. Nein, nicht Trauer, eher ein Gefühl von Verlust, von Leere. Wie ein Schatten steht er da: ein Mann etwa so groß wie ich, aber mit einem fußballgroßen Bauch. Steht einfach nur da und starrt auf einen Stapel spanischer Dauerwurst. Oder eher hindurch. Wie abwesend. Ein Mann in Schwarz, ein schwarzer Mann. Einer, der auf den ersten, irritierenden Blick so aussieht wie einer, den ich kenne. Kannte. Er ist es nicht. Kann es gar nicht sein. Denn der, für den ich ihn in dieser Schrecksekunde hielt, ist tot.

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missing btw

nichts an allem ist mehr btw
nichts mehr zwanglos
nichts mehr leicht

#partyverbot
nicht mehr belanglos sein
wie mein freund der mir verrät
dass er mit seiner bürstenhaarwäsche
die fingernägel reinigt

#maskenpflicht
nicht mehr sicher sein
ob die frau im zug gegenüber lächelt
und wenn sie lächelt
wie sie lächelt

#ausgangssperre
nicht mehr spüren
wie sich stille über den weinberg senkt
die erhabene des sternenweiten alls
nicht die der gruft daheim

#reisewarnung
nicht mehr kerosin riechen
ohne die sorge dass dies nur ein traum
nur der rauch des grillanzünders
nebenan sein könnte

nichts ist mehr geil oder cool
nichts mehr krass nur krass
alles ist lame

©Martin Bensen

Im Turm

In meinem Turm habe ich eine Rundum-Sicht. Ich blicke vom höchsten Punkt in den Talkessel von Stuttgart, auf die gegenüberliegenden Höhen. Ich stelle mir vor, das da unten sei mein Königreich, die Niederungen des Lebens, über die ich herrsche, ich, der ich eigentlich immer noch nicht glauben kann, in einem solchen Anwesen wohnen zu dürfen – in einer eigenen Burg mit Turm, nur ich allein. Und meine Frau. Meine Frau, die damit hadert … Weiterlesen

Normal-Null

„Es ist wie es ist. Nicht zu ändern. Trotzdem…“ Mein Vater sieht an mir vorbei ins Licht. Die Gardine vor dem festverriegelten Fenster ist beiseite gezogen, doch viel gibt der Blick nicht her: eine belebte Straße, dessen Geräusche aber nur ganz leise zu vernehmen sind, dahinter Bäume mit frischen, aber schon angegrauten Blättern. Ich habe mich mit dem Rücken zum Fenster gesetzt, in den „Ausguck“-Sessel, den ich in Richtung meines Vaters gedreht habe.
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