Selten der Himmel

So wenig wie der klare Himmel
Sich blau auf Meeren spiegelt
So steht für sich das Farbenmeer
Von wilden Blumen auf dem Feld

Es ist das Licht mit allen Farben
Das ein Fang der Netzhaut wird
So viel das Auge kann erblicken
So selten ist der Himmel bunt

©Martin Bensen

Kühlungsborn

Reisesplitter III

Dieser Ort kühlt meine Reiselust gehörig ab. Ich habe ihn anders in Erinnerung, nicht so voll, weniger touristisch, selbst vor zwei Jahren zur gleichen Zeit, als es noch keine Pandemie gab. Sorglos wälzen sich ortsfremde Menschen links und rechts über die Strandstraße, ein nicht abreißender Strom zur Seebrücke hin und zurück, vorbei an Läden, Restaurants und Buden. Sorglos suchen die Menschen wieder Nähe – sie macht ihnen zumindest nichts mehr aus. Weiterlesen

Kuckuck

Reisesplitter II

An diesem Morgen steht der Wind anders. Die Ostsee ist heute nicht zu hören. Anders als in den vergangenen Tagen, als Unwetter weiter draußen ungewöhnlich hohe Wellen an den Strand rollen ließen und auflandiger Wind das Meeresrauschen über den weitläufigen Rübenacker bis zu uns in den Park trug. Wir wohnen in einem Gutshaus. Es ist ein schöner Platz, weit weg vom touristischen Treiben in Kühlungsborn. Leider ist es zu frisch für ein Frühstück auf der Terrasse mit dem Blick eben über den grünen Acker zu einem kleinen See und der blauen Ostsee dahinter. Weiterlesen

Hals und Bauch

Reisesplitter I

Das also ist der „Wustrower Hals“. Ein schmaler Landstreifen zwischen Salzhaff und Ostsee in der Mecklenburger Bucht, der zur Halbinsel Wustrow führt, berühmt-berüchtigt als Militärstandort in der Nazi-Zeit und danach unter russischem Kommando bis Anfang der 1990er Jahre. Wir freuen uns auf die Führung durch die Ruinen der abgesperrten Halbinsel, auf der die Zeit seither stehengeblieben ist und wuchernde Natur das Regiment übernommen hat. Aber zurück zum Hals. Weiterlesen

Naiv

Da ist er wieder: der Neid, der sich seit der Schule durch mein Leben zieht, nur selten unterbrochen durch Phasen von Erfolg und Euphorie. Ganz bei sich sein, selbstzufrieden, glücklich vom prickelnden Kopf bis in die heißen Zehenspitzen. In solchen Momenten fühle ich mich überlegen, satt und sicher. Doch schon bald kippt das Hochgefühl, beginnt das Nagen. Erste Abnutzungserscheinungen, sich ausdehnendes Hinterfragen, eine zitternde Nervosität und schließlich die Flucht in Alltagsroutinen. Dort aber lauert Gefahr: glückliche Menschen. Und mein Neid auf sie. Weiterlesen

Stillleben

Still steht es da. Viel zu lange schon. Sie hat das Glas nicht ausgetrunken. Als käme sie gleich zurück. Doch sie kommt nicht zurück. Vorhin hat es in dem Glas noch geperlt. Kein stilles Wasser. Kein Stillleben. Die Gasperlen waren winzig, wären auf einem Ölgemälde schwer darstellbar gewesen. Vielleicht hätte ein begnadeter Maler das „Leben“, das Sich-Regende herbeigezaubert, ein Fotograf dafür das Licht geschickt ausgenutzt. Nichts davon käme mir in den Sinn. Das Glas ist schon halb Erinnerung. Ich werde es auskippen, spülen und in den Schrank stellen. Alle Spuren verwischen. Weiterlesen

Zeitlos

Mensch du bist getaktet
Das Ticken deiner Uhr
Zerhackt dir deine Zeit
Jetzt und jetzt und jetzt

Meer du kommst in Wellen
Nach ewigem Naturgesetz
Rhythmisch aber ohne Takt
Lässt du mich zeitlos sein

©Martin Bensen

Ein böser Duft

Erst hatte er sie gar nicht bemerkt. Sie kam schleichend. Und so kann er jetzt, am Ende seines Leidens nicht mehr sagen, wann alles begonnen hatte und vor allem wie. Die Ursache für seine Hypersensibilität würde er nicht mehr erfahren. Es hätte ihn interessiert, nicht weil er noch an eine Therapie oder gar Heilung geglaubt hätte, sondern einfach, um wenigstens wissend abzutreten. Zwar hätte ihm dieses Wissen keine Macht gegeben, aber es hätte jene Macht abgemildert, die die seltsame Krankheit über ihn hatte. Weiterlesen

Rauchmeister

Ein Brandmeister ist, anders als der Name missverstanden werden könnte, nicht ein meisterlicher Feuermacher, sondern ein Meister der Brandabwehr und -bekämpfung. Es ist ein Dienstgrad der Feuerwehr, eine Amtsbezeichnung, die sich durch ein „Ober“ und ein „Haupt“ noch veredeln und besser vergüten lässt. Dahinter stehen nicht selten besondere Verdienste, Mut und Kampfgeist. Menschen, die sich diese Dienstgrade verdienen, sind Menschen von Ehre. Der Brandmeister steht mitten in der Gesellschaft wie ein Fels in der Brandung. Er hat es mit Bränden zu tun, mitunter auch mit angrenzenden Aufgaben des Katastophenschutzes, immer aber mit dem einen Ziel: die Bevölkerung vor Gefahren zu schützen und auch einen möglichen Sachschaden möglichst gering zu halten. All das ist ein Rauchmeister nicht. Weiterlesen

Wie war ich?

Schleimig schmierig aalt er sich
Schmachtend noch, sie schmollend
Ab er schwillt und schwächt sich
Schmeckt er nicht die Schmach?

Überall der eitle Chauvinismus
Wie er aufpoppt, spammt, bedrängt
In Junkmails Kunden ständig fragt
Liebling, sag, wie war ich?

©Martin Bensen

Nur ein Friseur

„Euer Ehren, ich war immer schon und werde immer bleiben, was ich bin: ein Friseur. Nicht mehr und nicht weniger.“
Das Lachen der Klägerinnen ist grausam. So grausam wie die Anklage. Er versteht die Welt nicht mehr. Erst recht nicht, nach allem, was er durchgemacht, was er verloren hat. Was werfen sie ihm vor? Unmöglich habe er sie gemacht, heißt es, in den Ruin habe er sie getrieben. Aber was machen sie mit ihm? Rufmord, nein Mord, ist das! Was hat er denn noch? Friseur zu sein ist sein Leben. Er ist ein guter Friseur. Der beste! Und alle wollten ihn doch. Alle wollten das vollkommene Glück – aus seinen Händen … Weiterlesen