Westfalen

Wie seltsam friedlich der Horizont
Nicht weit, nirgendwo ein Silberstreif
Bloß ein dünner Streifen hoher Bäume
Schützt ausgedehntes Land vor Ferne

Kronen übersät von schwarzen Flecken
Krähen keckern ihr karges Winterlied
In den Nebel, die frühe Dämmerung
Ja, auch dieser öde Sonntag endet bald

Wie seltsam friedlich mein Westfalen
Nichts und niemand stirbt hier laut
Unter jedem Grün ist schwarze Erde
Blatternfleckig selbst der Horizont

©Martin Bensen

Alle Farben in Masuren

Als Kind war Polen für mich grau
Schwarz wie Kohle, Pech und Ruß
Pommerland war abgebrannt
Im Lied klang es wie Bombenland

Schwarz sind nur Gewitterwolken
Von Russland auf Masuren zu
Bunt sind schon die Plattenbauten
Viel bunter noch ist die Natur

Bernsteinbraune, -gelbe Felder
Saftiggrüne Wälder, Wiesen
Weiß und rot betupft, blaue Seen
Himmel! Alle Farben auf dem Grab

©Martin Bensen

Herbst ist laut

Während bunte Blätter leise zu Boden schweben
Röhren Motorsägen lustvoll in saftigen Stämmen
Dröhnen Laubbläser tumb gegen moosige Zäune
Wühlen Traktoren träge auf staubigen Feldern
Scheppern Anhänger tanzend auf löchrigen Straßen

Während müde Bauern träge das Heu einholen
Hängen Häupter lustlos über den Lenkern
Stehen Pferde still im Stall
Schnauft ein Hund leise im Hof
Fällt das letzte Laub rasch zu Boden

©Martin Bensen

 

Der Balkon

Es geht bergan, mein Wanderweg macht einen großen Bogen nach links. Da sehe ich den Baum und denke, was für ein schönes schattiges Plätzchen das ist. Und erst die Aussicht auf die grüne Ebene! Jetzt erst entdecke ich die Bank unter dem Baum, dann die elegante Dame, die darauf sitzt. Sie zieht ihr abgestelltes Fahrrad etwas zur Seite und bietet mir den noch freien Platz auf der Bank an. Ich grüße freundlich, gehe aber weiter, da sagt sie fast enttäuscht: „Möchten Sie denn nicht auf den Balkon? Ach, den kennen Sie wohl schon… ?“ Ich stutze, doch dann lehne ich höflich ab, verweise auf den Weg, der noch vor mir liegt. Die Dame lächelt milde und wendet sich wieder der Aussicht zu. Später fährt sie frisch und leichtfüßig radelnd an mir vorbei, ein Lied summend. Ich wische mir den Schweiß aus dem Nacken und bin noch lange nicht am Ziel.

©Martin Bensen, 14. Juni 2017 – Wanderung zum Ammersee