L wie Loser

Was für eine Schnapsidee! Alles. Er ist komplett nass. Das Handy! Es war auch unter Wasser. Verdammt! Er hat extra nur das Smartphone mitgenommen, die Hotelkarte in die Schutzhülle gesteckt. Falls er einen Herzinfarkt bekommt, weiß man schnell, wer er ist, kann man … Nein, Anhörige verständigen, fällt aus. Seit Freitag hat er keine mehr. Nicht mal mehr die eine. Sie hat ihn verlassen. Als er es endlich begriffen hatte, ist er geflohen, erst wollte er zum Flughafen, in die Wärme fliegen. Dann tat er sich so leid, dass er sich lieber an einem einsamen, grauen Strand sehen wollte. Jetzt ist er da – und klitschnass.
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Verlassen

Was ich dir gab gibst du
Zurück wie eine alte Haut
Als wäre nur noch Last
Was uns einst fliegen ließ

Was du mal Liebe nanntest
Ist doch nicht raus aus mir
Prallt jetzt nur ab läuft leer
So wie alles und noch mehr

Wer lädt mich wieder auf
Die Welt die nur mit dir
Die beste aller möglichen
Nun jedoch unmöglich ist

©Martin Bensen

Im Turm

In meinem Turm habe ich eine Rundum-Sicht. Ich blicke vom höchsten Punkt in den Talkessel von Stuttgart, auf die gegenüberliegenden Höhen. Ich stelle mir vor, das da unten sei mein Königreich, die Niederungen des Lebens, über die ich herrsche, ich, der ich eigentlich immer noch nicht glauben kann, in einem solchen Anwesen wohnen zu dürfen – in einer eigenen Burg mit Turm, nur ich allein. Und meine Frau. Meine Frau, die damit hadert … Weiterlesen

Jener Sommer

Meine Hand wird ruhiger, bleibt flach auf dem Tisch liegen. Ein fast unmerkliches Kribbeln in den Fingerspitzen, ein letzter leiser Impuls zu begreifen, was soeben passiert ist. Ihre Hand hat dicht neben meiner gelegen. Wir haben uns nicht berührt, nicht einmal heute. Und jetzt, da die Nähe so greifbar ist, verstummen wir, senken unsere Blicke, beben leise voneinander weg. Aus. Weiterlesen

Verbrannt

„Ich lüge dich nicht an! Wie kommst du überhaupt darauf?“ Er hat das Messer, mit dem er eben noch den edlen Fisch für den Heiligen Abend filetiert hat, in die Spüle geworfen und schaut sie aufgebracht an. Sie hätten nicht schon so viel Wein trinken dürfen. Ein Schlückchen zum Kochen, dazu besinnliche Musik und im Kamin ein prasselndes Feuer – der Abend in ihrer einsamen Hütte hätte eigentlich nicht besser beginnen können. Weiterlesen

Wenn du gehst

Wie oft wird es mich an diesen Platz ziehen, genau dahin, wo wir gerade sind? Jetzt hältst du mich noch, streichst mit deinem Daumen zärtlich, fast unmerklich über meine Hand im Sand. Obwohl ich den Blick abgewendet habe, spüre ich deinen weiter auf mir ruhen. Das letzte Mal, als ich dich angesehen habe, war die Farbe deiner Augen genau die des Sees, an dem wir gerade sitzen – sie sind eins geworden. Jetzt schaue ich auf das Wasser, versuche mich einzuschwören auf die Zeit ohne dich, mir einzureden, dass die tanzenden Lichtreflexe auf der blau-grünen Oberfläche deine zauberhaften, mal träumenden, mal lustvollen Augen sein werden. Dass die Ufergrashalme, die meine entblößten Waden umschmeicheln, deine zärtlichen Finger seien, die mich heute ein letztes Mal und dann auf diese Weise immer streicheln werden. Dein Haar, das wie ein anmutig wogendes Kornfeld die milden Sonnenstrahlen auffängt, es wird auch dann noch nach Sommer riechen, wenn du fort bist, wenn nur noch das fruchtbare Hinterland seine feinen Düfte bis hierher schickt, die ich dann wohl unersättlich tief in mich einsaugen werde, so wie jetzt ein letztes Mal den unverwechselbaren, betörenden Geruch deiner Haut. Deine Lippen, die meine noch einmal berühren, ganz behutsam, nichts mehr fordern, sich langsam lösen, den Abschied besiegeln, es werden nur noch meine sein, die den Hauch des Windes spüren, seine sanfte Brise schmecken, als wäre es dein Atem, der sich immer noch mit meinem vereint. Jetzt spüre ich das Gras an meinen Beinen, den Sand auf meiner Hand, den Duft von Heu in meiner Nase, den warmen Sommerwind auf meiner Haut, auf meinen Lippen den letzten Kuss, sehe das Blau des Sees – in meinen Augen verschwimmen. Jetzt bist du weg.

©Martin Bensen

Sagst du mir dann

Wenn ich traurig bin und meine Tränen nicht versiegen
Sagst du mir dann, es wird alles wieder gut?
Wenn mein Herz rast und Angst die Kehle zuschnürt
Sagst du mir dann, du bist sicher bei mir?
Wenn ich verzagt bin und meine Knie weich werden
Sagst du mir dann, wir werden das schaffen?
Wenn ich zornig bin und meine Hände zittern
Sagst du mir dann, es ist anders als du denkst?
Wenn ich vor Sehnsucht vergehe und deine Liebe vermisse
Sagst du mir dann, warum es aus ist?

©Martin Bensen, August 2017 – Es ist ein seltsames Gefühl, wenn dir jemand sagt, er liebe dich nicht mehr. Es ist, als falle man aus der Welt. (1983)