Da sitzen sie, stecken ihre Köpfe zusammen. Die Espressotassen auf dem Tisch sind längst ausgetrunken. Während der Kaffeesatz eintrocknet, sprudeln Worte aus den Männern. Eigentlich redet nur einer, ein junger, leicht untersetzter Typ, hemdsärmlig, gestikulierend. Er spricht italienisch. So schnell, dass ich nur Bruchstücke verstehe und fast nichts von jener schwärmerischen Melodik dieser schönen Sprache wiedererkenne, für die ich die mediterranen Europäer so beneide – neben vielem anderem. Ist es das ruppige Wetter in Deutschland, die immer noch steife Draußenkultur, überhaupt das ganze stocksteife Deutschtum? Oder warum ist er so in Aufregung, sind die Gesichter seiner beiden Zuhörer so ernst? Was um alles in der Welt ist denn so wichtig, so schlecht, dass alle drei Männer beinahe verschwörerisch dasitzen, vornübergebeugt, einander zugetan? Immerhin das. Weiterlesen
Hass
Parkbank-Reigen
Schauspiel in fünf Begegnungen
von ©Martin Bensen
„Die ganze Sache ist die, dass die Menschen glauben, es gebe Situationen, in denen man mit den Menschen ohne Liebe umgehen dürfe; solche Situationen gibt es aber nicht!“
Leo Tolstoi
Begegnung 1
Licht an
Eine einsame Parkbank an einem Sommermorgen, auf ihr liegt ein schlafender junger Mann – modische Frisur, kurzgeschnittener Bart, fleckiges weißes Hemd, Designerjeans, Sneakers – seine Knie sind angewinkelt, dazwischen seine Hände. Vor ihm steht eine leere Wodkaflasche auf dem Boden, überall verstreut liegen Zigarettenstummel. Ein älterer Mann mit silbergrauer Künstlerfrisur, in schwarzem Leinenanzug, schlurft ins Bild, betrachtet den Jungen eine Weile, setzt sich dann auf den schmalen Platz zu seinen Füßen. Er klemmt seine Hände zwischen seine Knie, reibt sie unruhig gegeneinander, beugt seinen Körper vor und schaut ins Leere. Eine ganze Weile. Die Vögel zwitschern, sonst ist noch alles ruhig.
Der Alte:
Ach ja…
Der Junge bewegt sich etwas, grunzt, atmet hörbar aus und versucht sich vergeblich umzudrehen.
Der Alte:
Das habe ich nie gemacht. Weiterlesen
Verbrannt
„Ich lüge dich nicht an! Wie kommst du überhaupt darauf?“ Er hat das Messer, mit dem er eben noch den edlen Fisch für den Heiligen Abend filetiert hat, in die Spüle geworfen und schaut sie aufgebracht an. Sie hätten nicht schon so viel Wein trinken dürfen. Ein Schlückchen zum Kochen, dazu besinnliche Musik und im Kamin ein prasselndes Feuer – der Abend in ihrer einsamen Hütte hätte eigentlich nicht besser beginnen können. Weiterlesen
Satt
Früher trieb der Hunger
Den Aufstand der Massen
Gegen die wenigen Satten
An gelangweilten Höfen
Heute nährt die Langeweile
Der satten Allgemeinheit
Den Hunger nach Krieg
Im gehässigen Netz
Heimat
Heimat was bist du nur so hässlich
Stehst mit Bier und Bauch am Grill
Schwitzt gewichtig Missgunstdunst
Sorgst dich um Kratzer im Autolack
Aber mehr als das und deine Haut
Kratzt dich sonst nicht allzu viel
Heimat was bist du nur so hässlich
Gehst storchenbeinig durch dein Beet
Spritzt eifrig giftig Unkraut raus
Baust Mauern um dein kleines Reich
Aber anders als du immer fürchtest
Strebt niemand Fremdes zu dir rein
Heimat was bist du nur so hässlich
Stehst am Tresen lachst dich stark
Gröhlst bitterbösen Schlachtgesang
Schreist dir die Seele aus dem Leib
Aber gar nicht weit von deiner Welt
Sind Redensarten Wirklichkeit
Heimat wieviel schöner
Könntest du
Sein
Schlaf noch schön
Dreh dich ruhig um und schlaf noch schön
Auch morgen geht die Sonne auf
Dreht sich die Welt in ihrem Lauf
Weckt der Wind verträumte Seen
Liebkosen Bienen Orchideen
Auch morgen gehen Lichter aus
Erdulden müde Pendler Staus
Und später von Computertischen
Gehen Brunnenvergifter Menschen fischen
Auch morgen ist auf diese Welt Verlass
Schürt der Wind des Wechsels großen Hass
Wünscht die Mehrheit sich es wäre bald
Erwacht die jetzt noch schläfrige Gewalt
Dreh dich ruhig um und schlaf noch schön