Kühlungsborn

Reisesplitter III

Dieser Ort kühlt meine Reiselust gehörig ab. Ich habe ihn anders in Erinnerung, nicht so voll, weniger touristisch, selbst vor zwei Jahren zur gleichen Zeit, als es noch keine Pandemie gab. Sorglos wälzen sich ortsfremde Menschen links und rechts über die Strandstraße, ein nicht abreißender Strom zur Seebrücke hin und zurück, vorbei an Läden, Restaurants und Buden. Sorglos suchen die Menschen wieder Nähe – sie macht ihnen zumindest nichts mehr aus.
Wir versuchen uns abseits zu halten, müssen uns die Zeit vertreiben, denn wir sind zu früh dran. Unsere Ferienhaus-Agentur liegt mitten im Ort, inmitten dieses gefühlten Hotspots. Hotspot Kühlungsborn, ein Oxymoron? Heiß ist es jedenfalls auch hier. Das Virus mag das offenbar nicht, überall gehen die Infektionen zurück, wir sind durchgeimpft, und trotzdem fühlen wir uns unwohl, ungeschützt. Abstand halten ist mir ins Blut übergegangen, eine Maske trage ich inzwischen ohne jedes Missgefühl. Keiner im Pulk hat eine auf. Urlaub ist Urlaub – auch von Corona, mag man denken. Hoffentlich.
Noch vor der Zeit kämpfen wir uns zur Agentur vor, überholen lachende, niesende, hustende Menschen, schreiende Kinder. Das schmucklose Gebäude liegt etwas zurückgezogen hinter einer Einfahrt. Noch hat die Agentur nicht geöffnet. Aber wir kommen genau richtig. Keine Minute später finden sich weitere Paare ein, reihen sich mit Abstand hinter uns ein, drücken sich wie wir an die Nachbarhauswand, um in den spärlichen Schatten zu kommen. Immer mehr Menschen strömen in die Einfahrt, drängeln sich zu denen im Schatten, halten kaum noch Abstand. Einige setzen bereits ihre Masken auf. Ohne dürfen sie auch nicht eintreten.
Als endlich aufgeschlossen wird, kommt ein klares Kommando. Von jedem Paar dürfe nur eine Person hinein, sagt eine resolute Frau mit kurzem, blondiertem Haar und kräftiger Statur, immer zwei gleichzeitig, dann gehe auch alles ganz schnell. Wir müssen einen Negativtest vorweisen – oder eben unseren Impfpass. Sie nehmen die Regeln hier sehr genau. Ich bin erleichtert. Es geht tatsächlich schnell. Mit Schlüssel und Unterlagen in Händen, eilen wir zum Auto, behalten unsere Masken gleich auf. Erst am Ortsrand öffnen wir das Dach unseres Cabrios. Es geht in die Einöde. So wie wir es gewollt haben. Weit weg von Kühlungsborn.

©Martin Bensen