Traumgesichte: Hunde

Ich stehe auf einer Wiese, die Sonne scheint, alles wirkt friedlich. Kein Mensch ist hier unterwegs. Dann eine Bewegung am Horizont. Etwas nähert sich in der flirrenden Hitze. Ich stelle meine Augen scharf und sehe sie: Hunde. Große Hunde mit bedrohlichen Gesichtern. Sie sehen nicht aus wie Wölfe, aber sie wirken wie gefährliche Raubtiere. Mindestens zehn Tiere nähern sich in schnellem Lauf, wirbeln Staub zu einer großen Wolke auf. Panisch wende ich mich ab, sehe hinter mir eine Art Geschäftsgebäude. Als ich es viel zu langsam erreiche, finde ich die erste Tür verschlossen. Hektisch suche ich nach einem weiteren Eingang, das Laufen fällt mir immer schwerer, ich komme kaum vom Fleck. Gleichzeitig wage ich es nicht, nach hinten zu schauen, spüre aber, dass die Gefahr immer näher kommt. Dann entdecke ich eine offene Tür. Ich betrete das Gebäude, kann die Tür aber nicht schließen, sie klebt fest an der Wand. Da ist ein Flur, eine Treppe. Ich steige hinauf, versuche es oben an der nächstbesten Tür. Sie läßt sich öffnen. Erleichtert trete ich ein und mache sie sofort hinter mir zu. Doch sie hat kein Schloss, um sie richtig abschließen zu können. Bestimmt können die Hunde die Türklinke herunterdrücken. Hastig sehe ich mich nach einem Gegenstand um, mit dem ich die Türklinke blockieren könnte, entdecke aber nichts Nützliches. Offensichtlich befinde ich mich in einer Art Labor, ich stehe vor einem Tisch mit allerlei Gerätschaften, ein Manuskript, eine aufgeklappte Brille. Mein Blick wandert weiter, der Raum hat zum Glück keine weitere Tür, aber die einzige, durch die ich kam, ist unsicher. Jetzt sehe ich, dass sie längst nicht bis auf den Boden reicht. Durch den Spalt kann selbst ein großer Hund hindurchschlüpfen. Was soll ich tun? Noch einmal raus? Da passiert es: Ein Hund mit graubraunem Fell zwängt sich unter der Tür durch, bleibt knurrend und zähnefletschend vor mir stehen. Er reicht mir fast bis zum Schritt, hat einen großen Kopf, sein Gebiss ist furchterregend. Ich zittere am ganzen Körper. Im Augenwinkel nehme ich wahr, wie weitere Hunde durch den Spalt kommen. Das Rudel hat mich gefunden, umringt mich jetzt von allen Seiten. Ich schließe die Augen und warte auf den Angriff, doch die Tiere bleiben nur knurrend stehen. Dann wird es still im Raum, ich öffne ängstlich die Augen. Auf einem großen Tisch aus Edelstahl liegt eine nackte Frau. Warum habe ich das vorhin nicht gesehen? Hat sich der Raum verändert? Ich befinde mich ganz offensichtlich in einer Pathologie. Die Hunde wenden sich von mir ab – bis auf einen, er behält mich im Blick, knurrt sofort, sobald ich nur zucke. Ich vermeide den Augenkontakt. Die Tiere haben sich um den langen Tisch gruppiert, schauen hinauf. Die Frau auf dem Tisch liegt reglos da, wirkt aber lebendig, ihre Haut schimmert fleischig-rosa, ihre nackten Brüste ragen steif nach oben. Die Beine der Frau sind geöffnet. Empfangsbereit, schießt es mir durch den Kopf, schon springt ein besonders großer Hund auf den Tisch, direkt zwischen ihre Beine. Ich sehe kurz den erigierten Penis des Rüden, dann senkt er seinen Raubtierkörper hinab und schmiegt sich an den Körper der Frau. Behutsam, beinahe zärtlich. Für einen kurzen Moment wirkt es, als schlafe die Frau friedlich unter einer warmen Decke, dann kommt Bewegung in die beiden Körper. Die Frau umschlingt den Hals des Tieres, das heftig zu zittern beginnt. Von seinen Lefzen tropft Speichel, ein vielstimmiges, langgezogenes Knurren ertönt rund um Tisch, gefolgt von einem ausgedehnten Jaulen. Der Rüde hat sich erhoben, steht mit gespannten Muskeln über der Frau und reckt den Kopf nach oben. Dann bellt er laut, springt mit einem Satz vom Tisch und verschwindet durch die jetzt offene Tür. Die anderen Hunde folgen ihm. Mein Bewacher wirft mir noch einen triumphierenden Blick zu und trollt sich ebenfalls. Ich brauche einen Moment, dann will ich zu der Frau. Aber da ist nur eine Wand mit einem Regal. Der Raum hat sich wieder verändert. Ich blicke aus dem Fenster, sehe die friedliche Sommerwiese. Die Sonne scheint grell in den Raum. Ich verlasse ihn, wundere mich kaum über die geschlossene Tür. Draußen treffe ich einen Wachmann in Uniform, er trägt ein Gewehr über der Schulter. Wo war er vorhin, als ich ihn brauchte? Die Hunde seien alle erlegt worden, meint er nur. Einer sei entkommen – ein wahres Prachtexemplar. Vor dem müsse man sich hüten, der werde wiederkommen.

©Martin Bensen