Pinien-Villa

Eine Art Idylle (I)

Meine alte Villa befindet sich auf einem zum Meer hin erst sanft, dann steil abfallenden Hügel. Sie steht zwischen drei alten Pinien, einer auf der Hinterseite, einer besonders prachtvollen an der rechten und einer windgebeugten auf der linken Seite vorne, nahe der Balkonterrasse zu meinem Schlafzimmer. Die Flügeltür steht weit offen, ich lasse sie im Sommer immer geöffnet, ich liebe das leise Fauchen des auflandigen Windes im nadeligen Geäst. Vom Bett aus kann ich das Meer sehen, heute früh ist es wieder spiegelglatt und kornblumenblau. Als ich hinaus trete, breite ich die Arme aus, begrüße den noch kühlen Morgen. Zu dieser Stunde tüncht das Sonnenlicht die Wand mit goldener Farbe, zeichnen die Zweige der vorderen Pinie ihre Muster darauf, immer wieder neue von Minute zu Minute, bis sie allmählich verblassen und die Wand sich zusehens heller werdend erwärmt. Dann setze ich mich mit einem Kaffee und einem Croissant auf den gußeisernen Stuhl, an den schweren Tisch mit dem bunten Mosaik. Der salzige Wind macht weiter Musik, bis auch er abflaut und der Mittagshitze das Feld überlässt. Ohne Sonnenschirm oder Markise wird es auf der Terrasse langsam zu heiß. Also schließe ich die Fensterläden, gehe durch das dunkle Haus erst in die Küche, dann mit einem Tablett in den kleinen Garten. Eine Liege steht im weitläufigen Schatten der mächtigen Pinie, mein Platz bis zum Abend. Auf das seitliche Tischchen stelle ich das Tablett mit einer Karaffe eiskalter Limonade, einem Cocktailglas und einer Schale mit Oliven. Von den Feldern im Hinterland ebben gerade die Erntegeräusche ab, stoppen die Bauern ihre Maschinen für die Siesta. In meiner Villa über dem Meer brauche ich keine Uhr. In die Stille des Mittags dringt das Brummen eines Motorboots, das eine weiße Linie in das glitzernde, jetzt graublaue Wasser schneidet, bald ist es in der nächsten Bucht verschwunden, dann liegt das Meer wieder so friedlich da wie ich unter meiner Pinie. Später kommt der Wind zurück, er streichelt meine Haut, stimmt wieder sein Pinienlied an. Auch den staubig flirrenden Feldern haucht er neues Leben ein, von Ferne klingen abermals die Bass- und Schlagzeugtöne der Landmaschinen. Ich brauche keine andere Musik. Gemächlich erhebe ich mich und spaziere ein Stück den Hügel hinunter und dann parallel zur steil abfallenden Küste. Abwechselnd schaue ich auf das Meer und hinüber zu meiner Villa, wandle mit Genuss durch die grüne Wiesenwelt meines kleinen Paradieses. Ich brauche keinen anderen Ort auf der Welt. Kaum merklich hat der Wind gedreht, weht den süßen Duft von Heu heran, die harzige Würze der Pinien. Die Tage werden kürzer, das Meer glitzert bald silbrig, schon senkt sich der feuchte Schleier des Abends über meine Villa, es riecht schon ein wenig nach Herbst. Nach Abschied. Ich gehe ins Haus, öffne die weißen Läden und alle Fenster, lasse die frische Brise die abgestandene Luft vertreiben. Von meiner Terrasse schaue ich zu, wie das Meer das letzte Licht des Tages verschluckt. Jetzt ist die Stunde der Mücken, sie tun mir nichts mehr, sind selber in Gefahr. Plötzlich sind die Fledermäuse da, umschwirren mich, durchmessen gaukelnd die Lüfte und sind schon bald wieder so schnell verschwunden wie sie kamen. Zeit für das Abendessen. In der Küche bereite ich mir eine leichte Mahlzeit zu, nehme alles, auch eine Flasche des einfachen Rotweins aus der Region, mit auf die Terrasse. Der Mond ist aufgegangen, spiegelt sich mit vornehmer Blässe im Meer, ich setze das warme Licht einer Kerze dagegen, schmauche nach dem Essen eine Zigarre und döse zufrieden. Als ein Käuzchen ruft, gehe ich zu Bett. Ich brauche nicht viel. Nur die Musik des Windes, die Düfte des Sommers, die Sonne, das Meer. Meine Pinien-Villa.

©Martin Bensen